ANDHERI HILFE

Hilflose bekommen eine Stimme - Gerichtsverhandlungen auf Dorfebene

Prekäre und informelle Jobs, Ernteausfälle aufgrund von zunehmend schlechter vorhersagbarer Extremwetter-Ereignisse und fehlende soziale Sicherungssysteme: Die Not für die Menschen in den 30 Projektdörfern im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh ist immens.

In der abgelegenen Bhundelkhand-Region haben Frauen einen niedrigen Stellenwert. Alte Traditionen und eine damit einhergehende Diskriminierung von Frauen sind weit verbreitet: von einer geringen politischen Teilhabe bis hin zu häuslicher Gewalt. Unsere Partnerorganisation Vidhya Dham Samiti (VDS) hat es sich zur Aufgabe gemacht, dagegen vorzugehen und die Frauen zu stärken.

In sogenannten Community Courts, eine Art informeller Dorf-Gerichtverhandlungen, die unsere Partnerorganisation eingeführt hat, können Personen, die Opfer von Gewalt und schwerwiegenden Betrugsvorfällen wurden, ihren Fall vor dem Dorfgericht vortragen. Einmal im Monat findet ein Community Court im Dorf statt. Ein pensionierter Richter, drei Anwälte, darunter eine Frau, und eine Frauenrechtsaktivistin, bilden das Komitee das Dorfgerichtes. Wenn es sich um Gewalt an Frauen handelt, werden die Gewaltopfer zunächst von Mitarbeiterinnen von VDS beraten und erhalten psychologische Unterstützung. Denn es erfordert sehr viel Mut, diesen sehr persönlichen Fall dem Gericht vorzutragen.

Nachdem der Fall vorgetragen wurde, berät das Komitee, wie weiter vorgegangen werden kann. In einigen Fällen ist es möglich, diese im familiären Kreis zu klären. Falls dies nicht möglich ist und es sich um gravierende Rechtsverletzungen handelt, wird offiziell Anzeige erstattet. Die Anwältin und die Frauenrechtsaktivistin begleiten die Frauen eng bei allen weiteren Schritten.

Zwei Menschen haben unserer für das Projekt zuständigen Referentin Heike Kluve im Rahmen ihrer Projektreise im April von ihren Fällen erzählt. Eine von ihnen ist Janani: „Seit Jahren erlebte ich häusliche Gewalt. Mein Mann war häufig betrunken und hat mich immer wieder heftig geschlagen. Einmal hat er mich sogar lebensgefährlich verletzt. Auch mein dreijähriger Sohn und meine zweijährige Tochter wurden bereits von meinem Mann geschlagen und verletzt.“ Janani gelingt es, mit ihren beiden Kindern zu Verwandten in die nächste Kleinstadt zu fliehen. Ihr Mann hat sie allerdings ausfindig gemacht und die beiden Kinder mit Gewalt an sich genommen. „Seitdem war ich in extremer Sorge um meine Kinder.“ Nachdem sie ihren Fall vor dem Dorfgericht vorgetragen hatte, wurde ihre Familie von den Anwälten aufgesucht. Es gelang ihnen, die Familie davon zu überzeugen, dass es sich hier um rechtswidrige Vorfälle handelte. Jananis Mann konnte dazu bewogen werden, die Kinder wieder an seine Frau zu geben. Falls er sie erneut bedrohen sollte, wird sofort Anzeige erstattet und dann droht ihm eine Gefängnisstrafe. Die ganze Familie versicherte, sich dafür einzusetzen, dass Janani mit ihren Kindern in Sicherheit bei ihren Verwandten leben kann. Der Familie gelang es auch, sehr auf Jananis Mann einzuwirken.

Ein junger Mann erzählt unserer Projektreferentin bei ihrem Besuch, dass er, seit er 16 Jahre alt war, gezwungen wurde, bei einem Großgrundbesitzer zu arbeiten. Seine Eltern hatten sich bei dem Großgrundbesitzer, der ihnen mit Wucherzinsen Geld geliehen hatte, stark verschuldet und waren nicht in der Lage, ihre Schulden zurückzuzahlen. „Nun sollte ich ihre Schulden abarbeiten“, erzählt Santosh. Das war unmöglich, denn es handelte sich um eine sehr hohe Summe. Dabei geriet Santosh in eine Art Leibeigenschaft. „Ich arbeitete auf dem Hof der Großgrundbesitzer und wurde häufig verprügelt. Einmal wurde ich so heftig geschlagen, dass ich stürzte und mein Arm dabei in eine Maschine geriet.“ Er wurde bewusstlos und wurde letztendlich ins Krankenhaus gebracht. „Leider konnte mein Arm nicht mehr gerettet werden. Er wurde amputiert.“ Santosh hat seinen Fall dem Dorfgericht vorgetragen. In diesem Fall wurde entschieden, eine offizielle Anzeige zu erstatten. Die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaft gezogen und erhielten eine hohe Gefängnisstrafe. Santosh erhielt eine beträchtliche Entschädigungssumme.

Die Arbeit unserer Partnerorganisation VDS ist in der Projektregion und darüber hinaus mittlerweile sehr bekannt. Den Menschen dort wird bewusst, dass Straftäter heute nicht mehr ohne Konsequenzen davonkommen. Es besteht die Hoffnung, dass sich Fälle wie die von Janani und Santosh irgendwann nicht mehr wiederholen.

 

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Janani (Name geändert) hat ihren Fall vor Gericht vorgetragen und lebt in Frieden mit ihren beiden Kindern – geschützt vor ihrem gewalttätigen Mann.
Eine Gerichtsverhandlung im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh.
Eine Gerichtsverhandlung vor einem Community Court im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh.
In diesem Projekt kommen die SDG-Ziele 5 (Geschlechtergerechtigkeit) und 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) zum tragen.
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